VERA SOLA

VERA SOLA

24.06.2024 Bremen, Sendesaal

Zwei Konzert- und Radio-Sternstunden gibt es an diesem wunderbar mild sonnigen Montag in Bremen zu erleben, für die Glücklichen, die je ein oder zwei Tickets bei Radio Bremen gewonnen haben. Sounds heißt die löbliche Sendung, die einmal wöchentlich Streifzüge durch "Pop, Singer/Songwriter, Rock, Americana und mehr" unternimmt. Und sporadisch Konzerte mitschneidet und ausstrahlt oder, wie heute, selber veranstaltet. Wenn ich mich aus meiner 4. Reihe umsehe, sehe ich keinen freien Platz mehr: es wird also offensichtlich noch Radio gehört, und Neugier auf Musik abseits des Immergleichen ist auch zuhauf vorhanden. Take that, Formatradio!

Die sensationelle Vera Sola aus Los Angeles samt ihrer sensationellen All-Star-Band beehrt Europa nach ihren unglaublichen Konzerten im April ( https://www.roadtracks.net/reviews/20240421-VERA-SOLA-Amsterdam.php ) noch ein zweites Mal; Bremen ist eins von vieren dieser Nachschlag-Konzerte. Und es ist das einzige Radiokonzert, d.h. es gibt die üblichen gut 90 Minuten Musik mit allen 11 Songs des aktuellen Albums Peacemaker, ein bisschen was von Shades (2018), aber dazwischen zwei ca. 10minütige Interviewblöcke sowie An- und Abmoderation. Das war das erste Mal, das sie so etwas gemacht hat, erzählt mir Vera Sola nach dem Konzert, und dass sie normalerweise so im Flow ist, dass sie sich in diesem Format gar nicht so recht vorstellen konnte. Die Sorge war unbegründet: die Interviewblöcke von Moderatorin Sophia Fischer nehmen die Live-Energie auf und übertragen sie in ein lebendiges, echtes Gespräch. In dem Fischer die richtigen Fragen stellt, den richtigen Ton trifft, das richtige Timing besitzt. (Das gelingt selbst anderen Radioprofis beileibe nicht immer. Dass ihre Übersetzungen mitunter verkürzt sind, geschenkt; Gesprächsrhythmus sticht Vollständigkeit.) Und in dem Vera Sola direkt, ehrlich, reflektiert und mit Humor so antwortet, dass es nicht nur eine Freude ist, sondern auch eine Bereicherung.

Da zu den Konzerten und den Songs schon alles gesagt wurde (s.o. und hier: https://www.facebook.com/Roadtracks/posts/919967660128499?ref=embed_post ), hier noch etwas zum Sound in Bremen: im hübschen 70er Jahre-Saal mit seinen Cordbezug-Theaterstühlen klingt es exakt so, wie es dort aussieht: warm, rund, klar, ein bisschen weich, volltönend. Die Band ist ausreichend laut in den losgelösten, "unbridled" Krach-Passagen, und wenn sie leise spielen, hört man nicht nur, was für Könner da am Werke sind, sondern auch jede Nuance, bis hin zu Anthony da Costas feinsten Gitarren-Tupfern. Der Gesang, toll, ohne Frage, hätte im Saal ein wenig mehr noch nach vorne gemischt werden können, aber das ist ein Einwand fürs ganz hohe Niveau. Der Gesamtsound ist ganz wunderbar. Im Radio live (und zum Nachhören in voller Länge minus einer Solo-Akustik-Zugabe: https://www.bremenzwei.de/audios/vera-sola-radiokonzert-sendesaal-102.html ) war/ist es übrigens umgekehrt: die Stimme ist weit vorne bzw. der Bandsound ist etwas abgedimmt. Das kommt zugute, wem an Solas warmer, dunkler Stimme und ihren Worten gelegen ist, geht aber etwas auf Kosten des Nacherlebens der Live-Energie. Einfach sich die Band lauter, mehr "in your face", vorstellen, und die knapp zwei Stunden und den Schluss genießen: Sophia Fischer timet selbst ihre Abmoderation so, dass der dramatische, fast symphonisch aufgebaute Abschlusssong Instrument of War wenige Sekunden vor der vollen Stunde, den Standing Ovations und den Nachrichten endet. Das ist ja schon fast zuviel des Guten.

Für bisher vier der ARD-Radios auf jeden Fall: sie (bisher BR, SWR, RBB und HR) streichen Hintergrundprogramme, Kultur und ganze Wellen. Dabei frisst, wenn schon der behämmerten Sparzwang-Ideologie gefolgt wird, das TV die Gebühren: eine Minute TV kostet das Hundertfache einer Sendeminute im Radio, so MDR-Rundfunkrat Heiko Hilker in einem Gespräch mit der jungen Welt.

Vor diesem Hintergrund passt der Kommentar gleich doppelt, den ich nach dem Konzert auf dem Weg zum Waschbecken einen Konzertgänger zu sich selbst murmeln hörte: "Glück gehabt...!" Die Untertreibung des Jahres.

Text: Frank Schwarzberg
Fotos: Rolf Schöllkopf